Witch Vomit – Funeral Sanctum (2024)

Witch Vomit sind eine Band aus Portland, Oregon, die den dunklen, romantischen Glanz der Vergangenheit an die Oberfläche zerrt und sich in die weiten, unerforschten Tiefen des modernen melodischen Black/Death Metal wagt. Im Gegensatz zu vielen aktuellen Veröffentlichungen schaffen Witch Vomit eine kanonische Verbindung statt eine Aneinanderreihung verschiedener Stile. “Funeral Sanctum” verbindet dunkle und melodische Abenteuer mit ursprünglichem Death Metal. Hier entdecken wir einen lang verschollenen Kult des morbiden und dramatischen Death Metal, den die Band hier auf bemerkenswerte Weise meistert, auf einer kurzen, aber fein ausgearbeiteten Expedition in klassisch anmutende, aber dann doch überraschend unerforschte Gefilde.

2012 als Duo mit Sänger/Gitarrist T.T. und Schlagzeuger V.V. gegründet, veröffentlichten sie 2014 ihre erste EP “The Webs of Horror”. Bassist J.G. schloss sich ihnen an. Zu dieser Zeit waren sie auf der Suche nach einem klassischen Stockholm-Sound. Ende 2015 nahm das Trio sein Debütalbum “A Scream From the Tomb Below” auf, das 2016 erschien. Darauf sind die rohen Kettensägen-Attacken des skandinavischen Death Metal deutlich zu hören. Von hier aus entwickelten sie sich schnell weiter, unterschrieben bei 20 Buck Spin, veröffentlichten in der Zwischenzeit eine weitere gute EP und holten schließlich mit C.L. einen zweiten Gitarristen in die Truppe, der das Line-Up im Wesentlichen komplettierte. Damit wurden sie zu einem festen Bestandteil der sogenannten “New Old School Death Metal”-Welle, was sie mit ihrem zweiten Album “Buried Deep in a Bottomless Grave” von 2019 unter Beweis stellten.

Das Wissen um diese allgemeine Entwicklung ihres Sounds liefert einen gewissen, aber nicht den vollständigen Kontext für die Veränderungen, die sich auf dem dritten Album vollzogen haben.

Die thrashigen Riffs der “Altars of Madness”-Ära von Morbid Angel und die konzentrierten Abstraktionen von “Dawn of Possession” sind nach wie vor fest im genetischen Code von Witch Vomit verankert. “Funeral Sanctum” hat also immer noch die wütende Energie des Death Metal der späten 80er und frühen 90er Jahre. Daran hat die Band hart gearbeitet. In der Tat ähnelt dieses Album der allgemeinen Herangehensweise des amerikanischen Death Metal, bevor er den schwedischen Death Metal inspirierte und dann Mitte der 90er Jahre nach Übersee zurückkehrte.

Die Ästhetik des Albums und die Kompositionen erinnern an das Debüt von Necrophobic, aber das ist nur ein oberflächlicher Vergleich. Der beste Vergleich, den man in diesem Zusammenhang anstellen kann, ist der mit der A-Seite von “Splenium for Nyktophobia” der unterschätzten schwedischen Band Uncanny, wo sowohl die Wurzeln als auch die zukünftige Melodik des Death Metal deutlich zu hören sind.

Dies ist eine unvollständige Suche nach Präzedenzfällen und lässt die Aggressivität des aktuellen Sounds von Witch Vomit, der auch von Immolation geprägt ist, außer Acht, und für dieses Ergebnis müsste man in Richtung des USDM-Undergrounds der späten 90er Jahre gehen, nämlich zu Abominants ‘The Way After’, womit sich der Kreis schließt.

Obwohl die ersten drei Stücke von “Funeral Sanctum” die Bandbreite der Erkundungen auf diesem kurzen, aber beeindruckenden Album von ca. 31 Minuten gut andeuten, ist es “Serpentine Shadows”, das als längstes Stück des Albums die Aufmerksamkeit auf sich zieht und hält. Gerade dieser spezielle Song bringt die allgemeine Torheit des schwedischen Death Metal als Ganzes nach 1992 auf den Punkt und korrigiert den Weg zurück zum ursprünglichen Death Metal, der ja von Natur aus melodisch und ausdrucksstark ist, aber nicht völlig von power-metallischem Glanz oder kontrapunktischer Wildheit überwältigt wird. Hier wird die ausgefeilte Dramaturgie des aufkommenden Melodic Death durch die brutale Subversion der unheilvollen und atmosphärischen Bewegung ausbalanciert.

Der Trick bei dieser Aufnahme und dem Einfangen des richtigen Sounds bestand wohl darin, den staubigen, aber klaren Schlagzeugsound einzufangen, der von Evan Mersky in den Red Lantern Studios abgemischt und von Dan Lowndes im Resonance Sound Studio gemastert wurde. Das Schlagzeug ist der Hauptdarsteller und wird nie von den beiden Rhythmusgitarren und ihrem Stereopanorama verschluckt. So bleibt der Raum organisch und doch unwirklich, es nimmt am starken Hall des Raumes teil, ohne die Darbietungen zu verschleiern.

Hier hört man so etwas wie den Charme des Death Metal einer bestimmten Ära auf Demo-Niveau, als die Ideen noch flossen, anstatt verzweifelt auf eine bestimmte Nische abzuzielen, als die Variationen noch endlos schienen und die einzige Beschränkung für viele im Wesentlichen das Können an den Instrumenten war. Der Punkt ist gesetzt, nehme ich an, denn wir nähern uns dem Ende dieses fließenden Zustands mit der gekonnten Riffarbeit von “Dominion of a Darkened Realm”, mit einer Tarantella zu Beginn und einigen Schuldiner-esken Leads plus einem melodischen Walzer, der auf ein rasantes Tempo zusteuert.

Indem Witch Vomit den größten Teil ihres Einfallsreichtums auf das Wesentliche jeder Aussage beschränken, schaffen sie ein Album, das man sich immer wieder anhören muss, um neue Details zu entdecken, weil sie so schnell vorbeifliegen. Es ist ein Balanceakt zwischen Tiefe und leichtem Eintauchen, aber wahrscheinlich war das der einzige Weg, um die großen Gesten des melodischen Blackened Death mit den harten Thrash-Bandagen auszubalancieren.

Ein Gedanke zu “Witch Vomit – Funeral Sanctum (2024)

  1. schön dass das Album hier besprochen wird! Im Gegensatz zu 2023, ist 2024 ein Jahr für mich, wo ich einige Veröffentlichungen “verpenne” und erst später davon Wind bekomme. Eigentlich wollte ich mich auf einzelne Bands konzentrieren und wieder mehr mit einem Tunnelblick durch Leben schreiten, da ich auch so viel mehr Zeit mit einem einzigen Album verbringen könnte, statt nur an der Oberfläche zu kratzen. Nun denn, somit habe ich z.B. von der neuen Coffins und eben auch Witch Vomit am selben Tag erfahren. Die neue Coffins hat mich sehr schnell begeistert, ebenso schnell losgelassen. Nach zwei Durchläufen war Sense. Jaaa, der erste Song ist immer noch gut, zumindest der Anfang,…aber ja.
    Wie gesagt, die Witch Vomit habe ich am selben Tag entdeckt. Was mir zuerst auffiel, Wertungen von cool bis lahm. Alles war dabei. Alles was kritisiert wurde, hat mich aufhorchen lassen. Ich gebe eigentlich nicht viel auf Wertungen und Punkte. Aber wenn es dann sooo ausfällt?! Ich habe das Album nun mehrfach über Kopfhörer gehört und mag es. Obwohl ich wusste was mich erwartet (wie eben auch bei der Coffins) bin ich hier und da echt überrascht.
    Anders gesagt, bei einer Blindverkostung wird es schwer ein Baujahr zu nennen. 2024 würde mir nicht als erstes in den Sinn kommen. Ähnlich wie bei dem letzten Album von Farscape, da fällt es mir ebenso schwer, eine Jahreszahl zu nennen. Was ich dann doch recht prima finde 😀

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