Vintage und psychotisch | Pentagram: Relentless, Day of Reckoning, Be Forewarned

Mittlerweile gibt es so viele Interviews mit Bobby Liebling, dass man kurz innehält und kurz fragt, ob das tatsächlich stimmen kann, dass Pentagram in den fünf Jahrzehnten ihres Bestehens weder große Anerkennung noch kommerziellen Erfolg erlangte. Obwohl sie vielen Anhängern des Subgenres, in das sie hinlänglich gesteckt werden, natürlich bekannt sind, ist es allerdings war. Sie sind eine der frühen amerikanischen Bands, die viel größer hätten sein sollen. Zu einer Zeit, als Black Sabbath und andere legendäre Acts den Grundstein für das legten, was wir heute als Heavy Metal kennen, produzierte die Band aus Virginia in ähnlicher Weise meist langsame, aber schwere Songs über düstere und drohende Themen und baute sich in den folgenden Jahren eine Kultanhängerschaft auf. Dabei ist es dann aber auch geblieben. Zu viele Faktoren führten dazu, dass Pentagram in der relativen Bedeutungslosigkeit verharrten und es ihnen nicht gelang, vor 1985 überhaupt eine Platte auf den Markt zu werfen. Wenn also heute Bobby Liebling ein Objekt der Begierde zu sein scheint, dann liegt das hauptsächlich an seiner skurrilen Person und leider weniger an der Musik. Drogenprobleme, Anschuldigungen wegen unangemessenen Verhaltens auf Tour und zu viele Besetzungswechsel, als dass man sie überhaupt zählen könnte, trugen nicht gerade dazu bei, der Band ein gewisses Vertrauen entgegenzubringen. Bis in die heutige Zeit hinein gibt es eine ziemliche Verwirrung über den Werdegang der Band – und ob man allem trauen kann, was Lieblings zu erinnern glaubt, ist ebenfalls fraglich.

Der einzige Fixpunkt scheint tatsächlich das Gründungsjahr zu sein, nämlich 1971. Und der Ort: Woodbridge in Virginia. Aber von welcher Band sprechen wir dann? Von Beginn an wechselten sie sogar die Namen wie die Unterwäsche. Sie hießen Virgin Death, Stone Bunny und Macabre. Und das sind nur ein paar Namen. Macabre nannten sie sich noch 1972 auf ihrer ersten Single “Be Forewarned”. Hier singt Liebling scheinbar aus der Sicht eines durchgeknallten Serienmörders, der seinem Opfer immer wieder sagt, dass er es niemals gehen lassen wird.

Ein weiteres stabiles Element war ihre musikalische Ausrichtung, die sich nie zu weit vom verzerrten psychedelischen Hardrock von Heavy-Metal-Pionieren wie Blue Cheer und den Groundhogs entfernte. Eine Reihe selbstveröffetlichter Singles wie “Human Hurricane” gingen ihrem ersten Live-Auftritt am 15. Dezember 1973 voraus, als sich bereits ein deutlicher Black-Sabbath-Einfluss abzuzeichnen begann. Der zweite Gitarrist Randy Palmer stieß Mitte 1974 zur Band und sein Einstieg fiel mit der produktivsten Phase von Pentagram in diesem Jahrzehnt zusammen, in der sie kurz vor einem Plattenvertrag mit Columbia und Casablanca Records standen. Doch 1976 stieg Palmer wieder aus und alle Aussichten der Band waren versandet.

Es dauerte bis zu den 80er Jahren, bis Bobby sich wieder um seine Karriere kümmerte, also schloß er sich einer Band namens Death Row an, weil er im Schlagzeuger Joe Hasselvander einen Seelenverwandten entdeckte. Der Gitarrist von Death Row, Victor Griffin, war ein echter Sabbath-Fan, und sein bluesiges, heruntergestimmtes Gitarrenspiel ist ebenso für den “Vintage”-Sound von Pentagram verantwortlich wie Bobbys psychotischer Gesang. Bobby überzeugte die Band, sich in Pentagram umzubenennen und machte sich zusammen mit Hasselvander und Bassist Martin Swaney daran, drei der wichtigsten Doom-Alben aller Zeiten zu schreiben. Diejenigen, die in alle Epochen der Pentagram-Bootlegs eingeweiht sind, können die Entwicklung tatsächlich mitbeobachten, wenn ein Standard-Track aus einem von Lieblings 70er Outfits unter Griffins Fittichen ein Doom-Makeover erhält.

Das erste Pentagram-Album (ursprünglich selbstbetitelt, 1993 von Peaceville neu aufgelegt und “Relentless” genannt) wurde 1985 auf ihrem eigenen Label veröffentlicht, da sie es offensichtlich leid waren, darauf zu warten, dass andere das übernahmen. Dieses Album ist voll mit Klassikern, vom fantastischen “Sign of the Wolf” bis zum unsterblichen “Death Row”. Es ist schwer, sich ein einzelnes Riff vorzustellen, das für den “Doom”-Sound wichtiger ist als der Anfang von Death Row, außer vielleicht das Eingangs-Riff von “Black Sabbath. Angeblich hat Victor Griffin die Gitarre auf ein B heruntergestimmt, um diesen dämonischen Sound hier zu erreichen. Als Peaceville Hand an das Album legte, wurde auch die Tracklist verändert und in die eigentlich von der Band gewünschte Reihenfolge gebracht. Tatsächlich war das Debüt von 1985 eine bunt abgemischte Version des ursprünglichen Death-Row-Albums “All Your Sins”, während Peaceville das ursprüngliche Demo wiederherstellte und das Material remasterte, weil sich die Vinyl grottenschlecht anhörte.

1987 kam ihr zweites Album “Day of Reckoning” und vermeidet mühelos die übliche Schwächephase nach einem Debüt – wahrscheinlich nicht allzu schwierig, wenn sie noch einen Haufen Death Row- und 70er-Jahre-Pentagram-Material zur Auswahl hatten. Wenn überhaupt, dann ist es konsistenter und ein bisschen doomiger als ihr erstes offizielles Werk. Der Titeltrack treibt von Anfang an die düstere, hoffnungslose Atmosphäre mit Griffins charakteristischem Gitarrensound und heruntergestimmten Riffs voran. “Evil Seed” folgt mit ähnlich düsteren Vibes. Es ist auch der einzige Song in Pentagrams Bibliothek, der sich ein Couplet von Black Sabbath ausleiht, nämlich den Anfang von Sweet Leaf.

“Be Forewarned” von 1994 ist das letzte Album der “klassischen” Besetzung, und bis zu einem gewissen Grad fühlt es sich etwas weniger inspiriert an als die beiden vorherigen Alben. Das soll nicht heißen, dass es ein schlechtes Album ist – die Band ist musikalisch so stark wie eh und je, und wenn überhaupt, hat dieses Album wahrscheinlich die beste Mischung aus Liebling-, Griffin- und Hasselvander-Songs. Einige der Griffin-Tracks hier – “Too Late”, “Wolf’s Blood” und “Vampyre Love” – stammen aus einer Reihe von Demos, die Griffin für ein damals unveröffentlichtes Solo-Album aufgenommen hatte. Griffins Tracks haben eher etwas von Wino, was nicht weiter verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass Wino bei ein paar Stücken als Gastmusiker mitwirkt. Sie gehören auch zu den besseren Stücken auf dem Album. Es gibt hier weniger Instant-Klassiker als auf “Day of Reckoning” oder “Relentless”, aber es ist immer noch ein solides Album, und ich wage zu behaupten, dass es in seiner Mischung aus sanfteren Nummern um einiges ehrgeiziger ist als die strenge Totenmesse, die “Day of Reckoning” darstellte.

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