Der wahre okkulte Doom | Pagan Altar

Wenn wir heute von Pagan Altar sprechen, dann sprechen wir über Superstars des Doom-Genres, des Doom Rock, des Okkult Rock und einer alternativen Version der frühen NWOBHM, mit der die Band eigentlich gar nichts zu tun hatte. Für viele mag der Begriff “Superstars” in dieser Hinsicht irritierend sein, weil es immer noch genügend Leute gibt, die noch nie von dieser Band gehört haben, aber genau das ist irgendwo auch der Punkt. Tatsächlich gibt es verschiedene Vorstellungen, wenn man von Heavy Metal oder dem Doom an sich spricht. Es gibt – wie überall – eine offizielle Geschichtsschreibung mit vielen Verzerrungen – und eine, die in einem alternativen Universum stattzufinden scheint, aber eigentlich genau das ist, was man wirklich unter “Underground” verstehen kann. Damit sind Alben gemeint, die in den Medien nicht viel Beachtung gefunden haben. Der Kenner weiß, dass es eine unbestreitbare Qualität in der Musik gibt, die nicht entdeckt wurde. Dafür steht unsere Reihe der Relikte Pate. Allein die Tatsache, dass niemand in eurem Umfeld von ihrer Existenz weiß, trägt sicherlich zu der geheimnisvollen Aura bei. Der Seltenheitswert allein reicht jedoch nicht aus, um diesem Mysterium auf den Grund zu gehen.

Die Underground-Zyklen sind eine Fundgrube voller seltener und außergewöhnlicher Musik. Man muss nur wissen, wo man suchen muss. Und sicherlich wussten viele Fans in den80er Jahren, wo sie suchen mussten, als sie die ersten Exemplare von Pagan Altars Volume One zu extrem hohen Preisen als Bootleg gekauft haben. Dieser Betrug erregte die Aufmerksamkeit der Band und zwang sie dazu, das Album neu zu mastern und es selbst zu veröffentlichen. Der einzige Unterschied zum ursprünglichen Demoband ist ein akustisches Instrumental. Die Band nannte es später “The Cry of the Banshee”.

In den letzten 15 Jahren hat die Popularität der Okkult-Rock-Künstler wieder zugenommen. Viele haben den Stil in verschiedenen Formen übernommen: die Kerzen, das Gothic-Image, die schwarzen Gewänder usw. Aber diese Effekte sind nur billige Taschenspielertricks. Das Wichtigste ist die Musik, die dahinter steht. Wenn man keine Musik schreiben kann, die das Publikum bewegt, wird man es zu nichts bringen.

Pagan Altar wurde 1978 von Sänger Terry Jones und seinem Sohn Alan ins Leben gerufen (wobei die familiäre Verbindung zunächst nur vage gehalten wurde). Die beiden verbrachten fünf Jahre damit, ihre musikalische Vision zu verfeinern und sammelten eine Fülle von unveröffentlichtem Demomaterial in ihren eigenen Pagan Studios in Brockley, Südlondon.

Den Überlieferungen der Band zufolge wurde das viktorianische Gebäude, in dem sie musizierten, an einer Kreuzung erbaut, an der Hexen verbrannt wurden, und es wimmelte dort von geisterhaften Aktivitäten. Ein früherer Bassist saß blass und versteinert in der Ecke und bestand darauf, dass eine schwarz gekleidete Frau durch das Studio schwebte, bevor sie durch den Boden stürzte. Kein Wunder, dass Terry und Alan mit einer ständig wechselnden Rhythmusgruppe arbeiten mussten, denn bevor die mächtigen Neuaufnahmen der Band die Songs präsentierten, die sie in den 1970er und 1980er Jahren geschrieben hatten, und bevor sie zu einer Band wurden, mit der man vor seinen verstörten Freunden prahlen konnte, war Pagan Altar eine schrullige Gruppe, die Besetzungswechsel quasi im Minutentakt durchlebten und tatsächlich darum kämpften, eine hochwertige Studioaufnahme abzuliefern.

Pagan Altar hingegen hatten nicht nur die Musik, sondern auch die Fähigkeiten, ihre Vision zu unterstützen. Und diese Vision war wirklich einzigartig. Ihre Liveshows waren zu dieser Zeit ein beispielloses Spektakel. Das Demo von Pagan Altar enthielt 40 Minuten knallharten okkulten Heavy Metal, durchtränkt von einer Gothic-Folk-Horror-Atmosphäre, und bot eine weitaus gruseligere Perspektive als ihre nächsten Zeitgenossen aus der New Wave Of British Heavy Metal-Szene. Witchfinder General sangen über Sex, Drogen und Rock’n’Roll, während Pagan Altar nur die bedrückendsten düsteren Themen aufgriffen.

Um diese Atmosphäre zum Leben zu erwecken, basierte die ambitionierte Bühnenshow der Band auf einem satanischen Kirchenthema, mit einem in Samt gehüllten Altar, menschlichen Schädeln, in denen Weihrauch verbrannte, umgedrehten Kreuzen, schwarzen Kerzen, einem Sarg, der Trockeneis ausstieß, Bandmitgliedern, die in schwarzen Kapuzengewändern auf die Bühne kamen, satanischen Beschwörungen und explosiver Pyrotechnik.

Es war die Zeit, als Alan Jones seinen eigenen Zweig des britischen Doom entfesselte. Jones ist wahrlich ein unbesungener Held in der Welt der schweren Klänge. Die Art und Weise, wie er die Gitarrenparts arrangiert, zeugt von einem sehr sachkundigen und talentierten Musiker. Sein Gitarrenspiel ist geradezu episch und kennt keine Grenzen. Er ist die perfekte Kombination aus Tony Iommi, Ritchie Blackmore, Glenn Tipton und Andy Powell/Ted Turner (Wishbone Ash), alles in einem Paket.

Wie die meisten seiner britischen Zeitgenossen ist auch Alan mit so viel Talent gesegnet, dass er ganze Gitarrensätze arrangieren kann. Sein Spiel umfasst alles: fließende Übergänge, großartige Riffs, exzellente, durchdachte Soli, komplexe Akkordprogressionen. Vor allem aber ist es so abwechslungsreich, dass sich sogar die Grundmuster von Strophe zu Strophe weiterentwickeln. Alan weigert sich, einen stagnierenden Sound zu haben, also fügt er eine Menge Verzierungen in sein Riffing ein, um die Dinge interessant zu halten. Auch sein Solospiel ist nicht schlecht. Obwohl es ein wenig schlampig ist, ist es äußerst geschmackvoll und einprägsam. Es wirkt natürlich und überhaupt nicht aufgesetzt. Man hat den Eindruck, dass eine Menge Sorgfalt und Planung in die Notenauswahl und das Arrangement gesteckt wurde. Von Anfang an wird klar, dass Alan seine Erfahrungen mit Black Sabbath gemacht hat, aber seine Rhythmusarbeit ist weit davon entfernt, diese Jungs sklavisch zu kopieren. Es gibt eine subtile Flexibilität in seinem Spiel, die kaum wahrnehmbar ist, aber Wunder wirkt und die atmosphärischen Qualitäten der Platte verstärkt.

Es ist nicht leicht, das Genre von Pagan Altar zu bestimmen. Die Musik ähnelt der Arbeit von Bedemon, also den frühen Pentagram), während sie sich gelegentlich als viel authentischer und besser ausgeführt erweist als die Arbeit der gleichgesinnten Landsmänner Witchfinder General. Manche wollen Witchfinder General und Pagan Altar nebeneinander auf der Doom-Landkarte sehen, aber Pagan Altar orientieren sich mehr am Sludge von Black Sabbath mit einer Priese 70er Jahre-Judas Priest, während bei Witchfinder General viel mehr der New-Wave-Metal der 80er Jahre durchscheint. Die schweren Riffs von Alan Jones könnten natürlich den Eindruck erwecken, dass Pagan Altar nur versuchen, Sabbath nachzueifern. Aber diese Annahme ist grundfalsch, denn ihre Musik verkörpert viele Stile. Wenn überhaupt, dann kommen nur die trägen, monolithischen Riffs dem nahe, was heute als Doom Metal durchgeht, aber das sind tatsächlich nur etwa 20% des Songwritings.

Alans Vater, Terry Jones, war für den Gesang zuständig, er verstarb traurigerweise 2015 an Krebs. Terry war kein Metal-Sänger im herkömmlichen Sinne. Seine hohe, dünne Stimme erinnert an die alten Okkult-Rock-Sänger der späten 60er/frühen 70er Jahre. Seine nasale Stimme (die später einer Grippe zugeschrieben wurde!), verstärkt durch einen organischen und warmen Gitarrenton, schafft eine Klanglandschaft, die den Hörer in einem fernen, verbotenen Land in der englischen Country Side willkommen heißt. Das Endergebnis ist, gelinde gesagt, ziemlich besonders. Im Nachhinein kann man sagen, dass die britische Metal-Bewegung nie etwas hervorgebracht hat, das auch nur annähernd an den Sound von Pagan Altar heranreicht.

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