Brennend in der Kneipe | Salem Mass: Witch Burning

International gesehen gibt es ziemlich viele Heavy Metal Fans auch der härteren Gangart wie Death- und Black Metal, die sich auf die Suche nach Band begeben, die wir hier in den Relikten vorstellen. In Deutschland scheint das weniger der Fall zu sein, da gehören die 70er den Rockern, die 80er den Heavy Metal-Anhängern und die 90er der härteren Fraktion. Ich selbst bin dann wohl eher international ausgerichtet und weiß, dass es unter meinen Hörern natürlich auch jene gibt, die sich tatsächlich für Musik interessieren. Und für die habe ich heute eine Obskuranz ausgegraben, eine Band, die vielleicht nicht das große vergessene Meisterwerk hinterlassen hat, dafür aber eine der ersten Bands war, die mit dem Moog-Synthesizer hantierten, zusammen mit Emerson, Lake and Palmer und Yes.

Manche sehen in der Vermarktung des Synthesizers von Robert Moog und später des Minimoog (und ähnlicher Geräte) einen Wendepunkt in der Rockmusik. Sicherlich haben viele Musiker die Technologie, die fachsprachlich als “analoge Instrumente und modifizierende Effekte” bezeichnet werden, in ihre Kompositionen integriert. Und nur wenige taten dies mit größerem Elan als Salem Mass auf ihrer einzigen LP “Witch Burning” von 1971.

Fast ebenso auffällig wie die Keyboardarbeit ist hier der schrille Gesang, der sich durch das ganze Album zieht. Bei den meisten Stücken scheint der Gesang jedoch kaum mehr als Beiwerk oder ein Vorspiel zu sein, um in die wütenden Instrumentalpassagen überzuleiten. Insbesondere “Witch Burning” verwandelt sich in einen richtigen Moog-Wahnsinn.

Die Informationen über Salem Mass sind nebulös. Eigentlich ist nur bekannt, dass sie aus Caldwell in Idaho stammen und ihr Album ziemlich hektisch in einer Kneipe namens “The Red Barn” auf einem Zweispur-Gerät aufgenommen haben. Unter vielen Line-Up-Wechseln spielten sie bis 1977 hauptsächlich im Nordwest und Kanada, aber ich glaube, keinem in der Band fiel ein, tatsächlich Profimusiker zu werden.

Wenn es um den progressiven Rock der damaligen Zeit geht, kann man eigentlich kaum davon ausgehen, dass diese Art der Musik im Lo-Fi-Sektor funktionieren könnte, aber irgendwie macht es die satanische Symbolik und die Art der Aufnahme dann doch zu einem nostalgischen Klassiker einer Zeit, als der Okkultismus in der Rockmusik ein weit verbreitetes Thema war. Manche mögen jetzt einwenden, dass das auch heute noch so sei, aber dem ist nicht so. Ich werde irgendwann eine Sendung über die diesbezüglichen Unterschiede zwischen Okkult Rock und Black Metal machen, aber das soll heute nicht unser Thema sein.

Die Band hat sich nach der berühmten Stadt Salem benannt. Das wäre jetzt natürlich für mich eine Steilvorlage, über die Hexenprozesse zwischen 1692 und 1693 zu sprechen. Verbrannt wurde dort allerdings niemand, allerdings fanden 19 Angeklagte den Tod durch den Strick. Es ist natürlich stilechter, wenn man eine Hexe brennen lässt – daher dann auch der Albumtitel, aber das scheint doch eher eine europäische Vorliebe zu sein.

“Burning Witch” ist also sowohl das Eröffnungsstück als auch der Albumtitel, und mit seinen epischen zehn Minuten ein gewagter Schritt, ihn fast nur aus hypnotischen Synthesizer-Mustern bestehen zu lassen, mit schrillem Gesang und einem eher proto-satanischen Text (falls es so etwas gibt). Interessanterweise klingt das Album dann auch eher britisch als amerikanisch. Natürlich entstand der ganze progressive Rock in England und die wenige amerikanischen Vertreter dieser Spielart, die später versuchten, daran anzuknüpfen, hören sich völlig anders an.

Ich spreche in diesem Podcast recht häufig von der Entwicklung des Doom und des eigentlichen Heavy Metal. Hier haben wir erneut ein Beispiel, wie eine Band zehn Jahre vor Witchfinder General eine eigene und frühe Art des progressiven Doom spielt, wahrscheinlich ohne sich überhaupt dessen Bewusst zu sein. Man könnte jetzt noch behaupten, dass er Rest des Albums eher durchschnittliche Rocksongs mit Space Rock-Elementen enthält, und auch wenn das gegenüber der Größen dieser Zeit stimmen mag, wären nicht wenige Bands von heute froh, so ein Songmaterial zu besitzen. Da sich drei Bandmitglieder bei verschiedenen Stücken den Leadgesang teilen, mag das Hörerlebnis insgesamt vielleicht etwas uneinheitlich sein.

Das zweite Stück “My Sweet Jane” zeigt bereits, wie wenig fokussiert Proto-Metal-Bands normalerweise waren, da sie sich kaum einmal vollständig den schweren Klängen hingaben und stattdessen zu leichterer Kost wie hier übergingen. “Why” beendet die erste Seite auf ähnliche Weise. So schwer wie im ersten Song wirds auf dem ganzen Album nicht mehr, auch wenn Seite zwei mit dem schlammigen “you can’t run my Life” beginnt, das etwas an Grand Funk Railroad erinnert, allerdings mit leichtem Deep Purple-Touch.

“Bare Tree” beginnt gespenstisch und bringt einige der atmosphärischen, fast okkulten Tendenzen zurück; es ist eine coole, atmosphärische Melodie, und der Abschluss “The Drifter” hat einige verrückte Synthesizer-Soli und ein fast bedrohliches Riff; alles in allem bleibt dieses Album natürlich eine Jagdtrophäe all jener, die sich gerne in die Sümpfe des Proto-Metall und des psychedelen Rock begeben. Und für die ist das im Gegensatz zum Mainstream dann doch kein ganz so schlechtes Album.

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