Als die Generatoren glühten

Jede Musikszene besitzt ihren heiligen Ort, ein mystisch verklärtes Domizil der Legenden und Anfänge, denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Für die Blumenkinder ist dieser legendäre Ort White Lake in Bethel, heute einfach nur Woodstock genannt. Für die Jünger des Heavy Metal ist es das Soundhouse in London, für den Jazz New Orleans. Es gibt noch viele weitere solcher Orte, aber uns interessiert in dieser Sendung vor allem die Palm Desert Szene in Kalifornien, die sich seit Mitte der 80er Jahre zu einer der berühmtesten musikalischen Locations in ganz Amerika aufgeschwungen hat.

Kyuss in der Wüste

Stoner Rock bezieht einen Großteil seiner Anziehungskraft aus seinen Ursprüngen in der Wüste. Das ist dann auch der Grund, warum das Unterfangen zunächst auch Desert Rock hieß. Beides sind Begriffe, die sich die Musikpresse ausgedacht hat, und gerade in Bezug auf Stoner Rock bekommt man es nun nicht mehr aus den Köpfen raus. Irgendwann ging man sogar dazu über, Pschedelic Rock Bands aus den 60ern als Proto-Stoner für sich zu vereinnahmen. Es mag schon sein, dass es eine grundlegende Attitüde gibt, die alles miteinander verbindet, aber sobald die Art der Droge, die man zu sich nimmt, ein Musikgenre definiert, wird es für Muikliebhaber etwas ungemütlich. Das soll nicht heißen, dass es eine solche Verherrlichung nicht gibt; was ist schließlich mit Bands wie Dopelord, Bongzilla usw.? Aber – und das sage ich immer wieder: Motörhead spielten keinen Speed Metal, nur weil Lemmy das am liebsten in sich reinjagte (Speed). Es blieb Rock N Roll. Mir ist natürlich bewusst, dass die Namensgebung fast überall ein einziger Ktrampf ist, an den man sich gewöhnen muss. Das beginnt bei “Jazz”, geht natürlich weiter zum “Rock”, zum “Metal”, zum “Doom”, alles willkürliche Begriffe, an die man sich längst gewöhnt hat, die aber im Grunde gar nichts über die Musik ausagen.

Um Generatorpartys zu verstehen, sollten wir allerdings zunächst über die Musikszene von Palm Desert sprechen, denn während wir die Verhältnisse in Birmingham zu Zeiten der NWOBHM durchaus nachvollziehen können, ist diese Szene für einen Mitteleuropäer nicht ganz so leicht zu verstehen.

1988 gründeten die Schulfreunde Garcia, Björk, Oliveri und Homme in La Quinta die Band Katzenjammer und probten in ihren Schlafzimmern. Da es in der Stadt keine Locations für alle Altersgruppen gab (Homme war gerade 14 Jahre alt, als sie sich gründeten), machten sie sich auf den Generatorpartys in der Wüste rund um Joshua Tree einen Namen, die von Mario Lalli von der beliebten lokalen Band Yawning Man organisiert wurden, die Björk einmal als “die kränkste Wüstenband aller Zeiten” bezeichnete. Lalli lieferte den Generator; Andere stellten Bier, Barbecue und Halluzinogene zur Verfügung. Es gab Lagerfeuer, gelegentliche Nacktheit und lange, intensive Sets, die sich durch die Nacht hinzogen. Der Sand kam überall hin – in deinen Verstärker, in dein Getränk, in deine Augen – aber es hat sich für die Freiheit gelohnt.

Um Generatorpartys zu verstehen, sollten wir allerdings zunächst über die Musikszene von Palm Desert sprechen, denn während wir die Verhältnisse in Birmingham zu Zeiten der NWOBHM durchaus nachvollziehen können, ist diese Szene für einen Mitteleuropäer nicht ganz so leicht zu verstehen.

Palm Desert liegt im Coachella Valley, etwa zwei Stunden östlich von Los Angeles und zwei Stunden nordöstlich von San Diego und Mexiko. Zwei Stunden entfernt bedeutete, dass Palm Desert gerade weit genug entfernt war, um den Weg in eine Großstadt zu einer Unannehmlichkeit zu machen. Für die jungen Leute, die auf der Suche nach Identität waren und gerade den Punk für sich entdeckten, war die Wüste das Nächstbeste. Die Wüste war Freiheit. Die Polizei löste Hauspartys, auf denen manchmal Bands spielten, mühelos auf, so dass die offene Weite und die Abgeschiedenheit der Wüste ununterbrochene Spielzeit versprachen. Wenn die Polizisten eintrafen, zerstreuten sich die Partypeople in alle Richtungen. Aber ohne eine Steckdose, an die sie sich anschließen konnten, mussten die Musiker alternative Mittel finden, um ihre Geräte mit Strom zu versorgen. Bald türmten Bands ihre Instrumente, Verstärker und Generatoren einfach auf die sandigen Ebenen.

Obwohl diesem Wüstenklima Freiheit innewohnte und jeder machen konnte, was er wollte, trieb eine Art Demokratie das künstlerische Talent voran. Die einen brachten Bier, die anderen brachten Brot, jemand brachte einen Generator und Sprit, die Mexikaner brachten die Drogen.

Während die Wüsten- und Generatorpartys die Bands dazu brachten, ihre Fähigkeiten zu verbessern, trugen sie auch dazu bei, einen bestimmten Sound zu formen. Bands wie Kyuss verkündeten, im Punk verwurzelt zu sein, aber die Wüste half ihnen dabei, dies hinter sich zu lassen.

Die rumpelnden Gitarrentöne in “Thumb” (dem Opener von “Blues for Red Sun”) verstreichen wie die heiße, wirbelnde Luft, die von der Wüstenstraße ausstrahlt. In einem unversöhnlichen Ökosystem, in dem Nahrung und Wasser oft knapp sind, kann man nicht gedeihen, wenn man nicht ein hartes Äußeres entwickelt. Kyuss entwickelte einen Sound, der diese raue Attitüde perfekt verkörperte.

Während die Wüste Kyuss dazu brachten, heavy zu sein, waren es die Stoner-Rock-Pioniere Yawning Man, die sie dazu brachten, etwas völlig Mystisches und Psychedelisches zu schaffen. Kyuss war an den Ecken und Kanten rau, aber der Sound von Yawning Man lädt dich zu ätherischen Reisen ein, die fünf, sechs oder sieben Minuten dauern. Unabhängig davon, wer auftrat, zogen die Generatorpartys Menschenmassen an. Drogen und Alkohol waren an der Tagesordnung, aber auch Tanzen und Grillen. Manchmal standen ein Dutzend Leute herum, manchmal waren es Hunderte, die neben den spielenden Musikernstanden, so dass es fast schon ein Gedränge war.

Als die Generatorszene nachließ, waren Katzenjammer zu Sons of Kyuss (nach einem Monster in Dungeons and Dragons) und schließlich nur noch zu Kyuss geworden, was die Aufmerksamkeit von Chris Goss auf sich zog. Goss, etwa ein Jahrzehnt älter, stammte aus Syracuse, New York, zog aber 1988 nach Los Angeles, als seine Band Masters of Reality bei Rick Rubins Label Def American unterschrieb. Er versuchte bewusst, den schweren Sound von der Haarspray- und Spandex-Szene zurückzuholen.

In den 80er Jahren drehte sich alles um Image, Kleidung und Haare. Chris fragte sich, was ist mit dem Gehirn? Was ist mit dem LSD? Wie steht es um die Wirkung, die ätherische Musik einst auf unseren Geist hatte? Was ist mit der Mystik und dem Fluss passiert, der vor Intelligenz nur so strotzt? Er suchte nach Musikern, zu denen er sich hingezogen fühlte. Jemand, der mit seiner Arbeit Grenzen sprengen und die DNA verändern will.

Die Werbeabteilung von Def American interpretierte Goss’ Liebe zu Psychedelia jedoch etwas zu wörtlich, indem sie Lavalampen als Werbegeschenke verschenkten. Und Batik-T-Shirts.

Eines Abends im Jahr 1990 ging er nach Hollywood, um Kyuss spielen zu sehen und fand die verwandten Seelen, nach denen er gesucht hatte. Er reiste in den Süden, um mit ihnen zu arbeiten, und kam nur nach L.A. zurück, um seiner Frau zu sagen, dass sie für immer in die Wüste ziehen würden. Die Gitarren waren sehr tief gestimmt, auf eine sehr unprofessionelle Art und Weise allerdings, was die ganze Sache noch verbessert hat. Durch die tiefen Freuenzen und den Saiten, die so sehr flatterten, entstand eine riesige Schallwelle, wenn Kyuss spielten. Chriss Goss ist sofort eingeschritten und sagte: Ich lasse nicht zu, dass irgendein scheiß Metal-Produzent diese Band anfasst und ruiniert.

Kyuss’ gigantischer Sound ruhte auf zwei Säulen: Hommes Gitarre, heruntergestimmt und über einen Bassverstärker gespielt, und die zitternden Grooves der Rhythmusgruppe. Enttäuscht von ihrem ersten Album “Wretch” von 1991, war die Band froh, mit Goss am Nachfolger “Blues for the Red Sun” arbeiten zu können. Sie probten in Joshs Schlafzimmer im Haus seiner Eltern, und um jedes Detail zu hören, saß Goss mitten auf dem Boden, zum Nachteil seines Gehörs. Es war das Lauteste, was er je in meinem Leben gehört hatte. Er beschrieb es so, als würde man mitten auf einer Bowlingbahn sitzen, wenn die Kugeln über das Holz rollen. Kyuss brummte. Und das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum die Leute sie lieben, weil es dort Frequenzen gibt, die dich wie eine Decke einhüllen.

Ihr Label melkte Kyuss’ Kiffer-Image mit der ganzen Subtilität von Rick Rubins Lavalampen und bezeichnete “Blues for the Red Sun” als “eine frische Bong-Ladung potenter, sumpfiger und zotteliger musikalischer Erlösung”. Aber an der Platte selbst war nichts Effekthascherisches. Dave Grohl war ein Fan. Metallica luden sie ein, auf ihrer Tour zu eröffnen. Elektra gab ihnen einen großen Deal. Zur gleichen Zeit verließen immer wieder Mitglieder die Band: Oliveri nach “Blues for the Red Sun”, Björk nach “Welcome to Sky Valley” von 1994. Mit dem 1995er “… And The Circus Leaves Town” machten sie Feierabend. Die wenigsten Bands können für sich behaupten, auf ihrem Höhepunkt Schluss zu machen, um die Legende zu erhalten. Um ehrlich zu sein ist den meisten ihre Legende ohnehin ziemlich gleichgültig, hauptsache die Kohle fließt.

Heute wird Palm Desert häufig unter den besten Rock’n’Roll-Städten Amerikas aufgeführt. Ein Großteil davon ist den Pionieren des Generatortransports in den 80er und 90er Jahren zu verdanken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert